Die große Reise von Johann Strauss nach Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, England, Irland und Schottland 1837 und 1838
Wie schon beschrieben, reiste Johann Strauss mit 30 Mann, davon 26 Musikern am 4. Oktober von Wien Richtung München ab und kündigte seine Rückkehr zum Ende des Jahres an. Ende des Jahres 1837 wohlgemerkt.
Tatsächlich sollte er erst nach 447 Tagen wieder nach Wien zurück kehren. Was ihn genau dazu bewegte ein ganzes Jahr länger zu bleiben als geplant ist nicht eindeutig überliefert.
Um die Ausdehnungen der Reise, zumal in der damals gerade erst beginnenden aber faktisch noch eisenbahnlosen Zeit zu zeigen, hier einige Fakten und die Karte aus der damaligen Zeit, die den teilweise unsinnigen Zick-Zack-Kurs zeigt auf dem Johann Strauss reiste.
Am Ende hatten die 30 Personen mit Gepäck, Musikinstrumenten und Musikalien in 447 Tagen rund 9500 km Reisestrecke zu Land zurückgelegt und vier Mal den Ärmelkanal überquert. Sie legten also durchschnittlich mehr als 20 km Reisestrecke pro Tag zurück und exekutierten im Schnitt jeden 2. Tag die Musik bei einem Ball oder spielten ein Konzert oder ein Konzert mit Ball. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit der Postkutsche lag in den 1830er Jahren bei 6 km pro Stunde, die Reisegruppe Strauss war also im Durchschnitt täglich mehr als 3 Stunden auf holprigen und staubigen Strassen, in wenig komfortablen, unbeheizten Kutschen unterwegs. Reisen über 100 bis 120 km Länge dauerten länger als einen Tag.
Wieder liefern die Aufzeichnungen des Orchestermitgliedes Johann Thyam weitgehend verläßliche Fakten über die Reise.
In Deutschland hielt sich Johann Strauss nicht einmal zwei Wochen auf. In München, Ulm, Stuttgart und Carlsruhe fand jeweils ein Konzert mit Ball statt, dann überquerte die Gruppe die französische Grenze nach Straßburg. Nach zwei Konzerten im Theater in Straßburg und 450 km Wegstrecke erreichte das Orchester Johann Strauss am 27. Oktober das eigentliche Reiseziel Paris, wo im Hotel Violet, Passage Violet No. 5 Quartier genommen wurde.
In Wien veröffentlichte Tobias Haslinger am 31. Oktober das Opus 98, den Walzer „Pilger am Rhein“, Herrn Franz Egon Reichsfreiherr (oder Graf) von Fürstenberg-Stammheim (* 24. März 1797 auf Schloß Herdringen; † 20. Dezember 1859 in Köln) gewidmet. Er war Großgrundbesitzer, Mäzen und Politiker. Die Familie lebte in Köln, wo sie das „Haus zu den Biesen“ besaß sowie auf Schloß Stammheim. Dieses wurde zu Lebzeiten von Fürstenberg ein Zentrum des zeitgenössischen Kunst- und Kulturlebens. Vermutlich hatte Johann Strauss Berührung zu dem Grafen während seines Aufenthaltes im November des Vorjahres in Köln oder bei einem Besuch Fürstenbergs 1837 in Berlin.
Zur gleichen Zeit liefen vermutlich in Paris die letzten Vorbereitungen für das erste Konzert im Gymnase Musicale Paris welches am 1. November statt fand. Die Metropole an der Seine wartete mit berühmten und gefeierten Meistern auf, von denen sich einige an diesem Abend im Publikum befunden haben sollen: Meyerbeer, Auber, Cherubini, Adam, Musard und andere. Das Wiener Orchester erregte sofort Aufmerksamkeit in Paris und bereits am 5. November spielte das Strauss Orchester ein Konzert in den Tuilerien vor König Louis-Philippe I.
Tuilerien-Palast, Hoffassade, Fotografie um 1865 König Louis Philippe
Vom 8. November bis 6. Dezember fand eine Serie von Konzerten im Konzertsaal Vivienne, in der Rue Vivienne statt. Der Saal war Eigentum Musards. Johann Strauss spielte Wiener Tanzmusik im ersten Teil der Konzerte, das Orchester Musard führte klassische Musik mit einem Orchester von 60 Mann im zweiten Teil aus. Die Konzerte entwickelten sich zu einem Wettbewerb der beiden unterschiedlichen Kapellen und Musikstilen den Johann Strauss für sich entschied, auch weil Musards Stil in Paris bekannt war, wogegen Strauss den Vorteil des Neuen genoß und diesen mit Geschick und Präzission nutzte, was ihm Hector Berlioz, der aus Geldnot auch als Musikjournalist für das Journal de Debats tätig war, bewundernd attestierte.
Hector Berlioz – 1839 Philippe Musard
Philippe Musard galt als „König der Quadrille“. Nach seiner Rückkehr stellte Johann Strauss diesen neuen französischen Kontratanz, der zur Zeit Napoleons I. in Paris entstand den Wienern mit Erfolg vor.
Das Besetzung des Strauss Orchesters zu Beginn der Reise war:
Vier erste Geigen
Vier zweite Geigen
Ein Violoncell
Zwei Kontrabässe
Zwei Flöten
Zwei Klarinetten
Eine Oboe
Zwei Hörner
Zwei Trompeten
Ein Fagott
Ein Kornett
Eine Posaune
Eine Kesselpauke
Eine Harfe
Eine große Trommel
Aber die meisten der Musiker beherrschten zwei oder drei Instrumente die sie mit der größten Geschwindigkeit austauschten, wodurch das Orchester doppelt so groß wirkte und mit dem weit größeren Ochester von Musard mithalten konnte.
Vermutlich fand auch am Geburtstag der Tochter Clementine Trambusch, der in Wien am 18. November gefeiert wurde, in Paris ein Konzert im Konzertsaal Musard statt. Am darauffolgenden Tag wurde die Reihe unterbrochen und während in Wien die Dampfeisenbahnlinie Florisdorf - Deutsch-Wagram eröffnet wurde, spielte das Strauss Orchester ein Konzert bei Baron Delmar in Paris.
Nach einem weiteren Konzert im Gymnase Musicale am 10. November und einem Ball bei Baron Delmar am 13. November reiste Strauss aus Paris ab, aber nicht zurück nach Wien, wie er angekündigt hatte, sondern zunächst nach Westfrankreich, nach Rouen und Le Havre wo bis Weihnachten täglich Konzerte oder Maskenbälle statt fanden. Selbst am heiligen Abend wurde im Theater von Rouen ein Maskenball veranstaltet. In Wien damals undenkbar !
Während des Aufenthaltes in Le Havre kam eine Gruppe Amerikaner mit mehreren Dampfsegelschiffen an. Die Passagiere aus Amerika, Hamburger Kaufleute, besuchten die Konzerte und gaben anschließend an das Konzert am 21. Dezember im Theater von Le Havre dem Meister und seiner Gesellschaft zu Ehren ein Souper. Das Fest soll bis zum nächsten Morgen gedauert haben und feucht-fröhlich gewesen sein.
Den Weihnachtstag nutzte Johann Strauss um von Rouen wieder nach Paris zu reisen, wo erneut Unterkunft im Hotel Violet gebucht war, und zwar gleich für die nächsten beiden Monate. Das Jahr 1837 endete für das Strauss Orchester nach einem weiteren Ball bei Baron Delmar am 27. und einem Ball bei dem Kunst- und Musikalienhändler Moritz Adolf Schlesinger am Silvesterabend.
1838:
Wann und wie Johann Strauss die Wiener Lokaleigentümer und –pächter informierte, daß sie im Karneval 1838 nicht mit ihm planen können, ist nicht bekannt. Ebenso ist nicht bekannt ob die 26 Musiker und 3 weitere Reisebegleiter (vermutlich waren Kapellendiener mit auf der Reise) die Planänderung(en) des Chefs alle und ohne zu murren hinnahmen.
Das Strauss-Orchester spielte jedenfalls im nahenden Karneval im Januar und Februar in Paris bei 18 Maskenbällen im Saal St. Honore mit den französischen Musiker Defresne. Für den ersten Maskenball am 14. Januar komponierte Johann Strauss sein Opus 101, den Walzer mit dem ebenso einfachen wie passenden Titel „Paris“ und führte ihn im Saal St. Honore erstmals auf. Strauss’ Opus 100, der Walzer „Der Carneval in Paris“ hatte bei einem Maskenball mit Konzert am 27. Januar bei dem das Strauss’sche und das Orchester Dufrense vereinigt spielten seine Uraufführung.
Die Erstanzeige des Opus 100 in der Wiener Zeitung war am 12. Februar mit der Widmung „Huldigung den schönen Pariserinnen“. Das Opus 101 wurde erstmals am 26. April angezeigt. Die Widmung erhielt Ihre königliche Hoheit die Frau Herzogin von Orleans. Bei der Erstanzeige des Werkes bei Haslinger fehlte die Widmung noch.
Helene Luise Elisabeth, Herzogin zu Mecklenburg -Schwerin, französisch Hélène de Mecklembourg-Schwerin, duchesse d'Orléans (* 24. Januar 1814 in Ludwigslust; † 17. Mai 1858 in Richmond, England), war eine deutsche Prinzessin und durch Heirat Herzogin von Orléans und Chartres.
Sie heiratete 30. Mai 1837 auf Château de Fontainebleau in Fontainebleau den Thronfolger Ferdinand Philippe d’Orléans, duc de Chartres (1810–1842), ältester Sohn des letzten französischen Königs Louis Philippe und dessen Gattin Prinzessin Maria Amalia von Neapel-Sizilien.
Ferdinand Philippe d’Orléans und Helene Luise Elisabeth, Herzogin zu Mecklenburg -Schwerin
Den Wienern stellte Franz Ballin das Werk im Mai 1838 bei seinen Bällen und Festen „im Sperl“ vor.
Die Zeitung „Der Humorist“ teilte den Wienern am 8. Januar mit, daß Strauss von Rouen nach Paris berufen wurde um bei einem Hofball zu spielen.
In seiner Ausgabe vom 12. Januar informierte der „Humorist“ noch, daß Johann Strauss schon nahe Wien wäre und kündigt dessen baldiges Erscheinen „beim Sperl“ an, um in der Ausgabe vom 19. Januar dem verehrten Publikum über den elegischen Stoßseufzer bei Ankunft der definitiven Nachricht, daß Strauss heuer nicht nach Wien kommen werde, zu berichten . Es stand am 19. Januar also schon fest, daß die Reise lange dauern würde und daß die Tournee auch nach London ausgedehnt wird.
Am 29. Januar berichtet der „Humorist“ von den Maskenbällen in St. Honore und dem ungewöhnlichen Zulauf die selbe finden.
Neben den Maskenbällen im Saal St. Honore welche regelmäßig donnerstags, samstags und sonntags statt fanden, war das Strauss Orchester in privaten „Circles“ beschäftigt. Es spielte bei Hausbällen bei Baron Jakob Rothschild (1792–1868) dem jüngsten der vier Rothschild-Brüder, der seit 1812 in Paris lebte und Rothschild Frères zu einer der ersten Bankadressen machte. Er nannte sich fortan James de Rothschild. Weitere Bälle fanden beim englischen Gesandten, bei Baron Delmar, bei Moritz Adolf Schlesinger, einem deutschen Musikverleger aus Berlin der als Maurice Schlesinger seit 1834 in Paris einen Musikverlag unterhielt und die Gazette musicale gründete, beim österreichischen Gesandten Graf Anton Apponyi und bei anderen Persönlichkeiten statt.
Gleich nach Faschingsende, am 27. Februar war Fastnacht-Dienstag, reiste die Gruppe Strauss erneut aus Paris ab, dieses Mal in den Norden Frankreichs, nach Amiens und Lille. Der Aufenthalt in Amiens war 6 Tage, während denen 2 Konzerte stattfanden, in den 7 Tagen in Lille vor der Weiterreise nach Belgien, fanden je 2 Konzerte im Theater und im Saal der Musikakademie statt. Die Nachricht in der Ausgabe des „Humorist“ vom 28. März, daß Strauss sich von Lille nach Straßburg begibt um von daselbst unverzüglich nach Wien zurück zu gehen, entbehrte jeder Grundlage. Strauss reiste nach Belgien.
Ab Belgien verlief die Reise bereits teilweise im Zick-Zack. Von Antwerpen, wo die Unterkunft jeweils im Hotel St. Antoine war, ging es weiter nach Brüssel, nach Löwen, zurück nach Antwerpen, nach Gent, noch einmal nach Brüssel, wieder nach Gent, nach Malines, Gent, Löwen, wieder zurück nach Brüssel, noch einmal Malines, nach Tirlemans, erneut Brüssel, nach Lüttich, für einen Tag und ein Konzert nach Aachen, die letzte Berührung mit Deutschland auf dieser Reise, dann ging es über Lüttich und Gent nach Brügge, schließlich setzte Strauss mit Gefolge mit dem Dampfer Princess Victoria am 10. April 1838 nach England über.
Seit der Abreise aus Paris waren 44 Tage vergangen in denen die Gruppe schon mehr als 1300 km zurückgelegt hatte um an 20 Veranstaltungen aufzuspielen. Es sollte noch extremer kommen !
In London am 12. oder 13. April angekommen, gab es offenbar zunächst Schwierigkeiten mit der Unterkunft. Das erste Hotel in der Fleet Street No. 5 entsprach nicht den Ansprüchen des in Sachen Unterkunft selektiven und großzügigen Herrn Musikdirector. Daher siedelte das Orchester in das Hotel du Commerce in der Leicester Street, in der Nähe des Picadilly Circus um.
Gedenktafel am ehemaligen Hotel Commerce und das Gebäude heute
Für die nächsten dreieinhalb Monate waren keine Reisestrapazen zu befürchten. Das Strauss Orchester blieb, mit einem 5-tägigen Abstecher nach Cheltenham und Bath Mitte Juni, bis zum 29. Juli in London und spielte in 101 Tagen zu insgesamt 79 Anlässen, darunter bei.
8 Staatsbällen und Dinerparties im Buckingham Palace, bei denen Königin Victoria anwesend war
6 Almacks Subscription Balls in Willis´s Rooms
19 Privatbälle
2 Öffentliche Bälle
2 Wohltätigkeitskonzerte im Royal Beaulah Spa Norwood
39 öffentliche Konzerte, die meisten im Hanover Square und bei
3 großen Konzerten mit Gesangssolisten
In den Hanover Square Rooms oder “the Queen's Concert Rooms” begannen die Konzerte am 17. April. Die Versammlungsräume an der Ecke von Hanover Square in London wurden hauptsächlich für musikalische Darbietungen von Sir John Gallini in Partnerschaft mit Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel im Jahre 1774 gegründet. Für genau ein Jahrhundert war dies der wichtigste Veranstaltungsort für Konzerte in London. Die Räumlichkeiten wurden im Jahr 1900 abgerissen.
Hanover Square Rooms oder Queen's Concert Rooms
Das erste Konzert war schlecht besucht. Mangelnde Werbung und überhöhte Eintrittspreise waren daran wahrscheinlich schuld.
Die Almacks Assembly Rooms, in denen ebenfalls Konzerte und Subscriptions-Bälle stattfanden, waren von 1765 bis 1871 ein Social Club in London und einer der ersten, die sowohl Männer als auch Frauen zuließen. Es war einer von wenigen gemischten öffentlichen Treffpunkten für die Oberschicht in der britischen Hauptstadt in einer Zeit, als die wichtigsten Spielstätten für die hektische Saison die großen Häuser der Aristokratie waren. Von 1871 wurden die Almacks Assembly Rooms in "Willis´s Rooms"umbenannt.
Die Assembly Rooms lagen auf der Südseite
der King-Street, St. James´s und wurden von Robert Mylne für Herrn Almack, ein Schotten, gebaut und am 12. Februar 1765 eröffnet. Der große Ballsaal war etwa hundert Fuß lang und um vierzig Fuß breit. Er
war mit vergoldeten Säulen und Pilastern, klassischen Medaillons und Spiegeln dekoriert und wurde durch geschliffene Glaslüster mit
Gas beleuchtet. Die größte Zahl der Personen in diesem Raum bei einem Ball betrug 1700.
Die Zimmer wurden für öffentliche
Versammlungen, Lesungen, Vorträge, Konzerte, Bälle und zu Abendessen überlassen.
Für den ersten Hofball am 10. Mai im neuen königlichen Palast, dem Buckingham Palace, komponierte Johann Strauss sein Opus 103, den Walzer „Huldigung der Königin Viktoria“ und führte ihn zum ersten Mal auf. Für die Dienste bei diesem Ball soll Strauss 250 Pfund bekommen haben.
Die Entstehung des Opus 102, eines weiteren „Original-Parade-Marsch“, der bei der Froleichnamsparade am 14. Juni von den Musikern des ersten Bürgerregiments Wien erstmals aufgeführt wurde, wäre im Zusammenhang mit der Verlängerung der Reise interessant. Hatte Johann Strauss den Marsch schon fertig bevor er abreiste oder hat er ihn unterwegs zwischendurch geschrieben und nach Wien geschickt? So stellt es jedenfalls die Zeitung „Der Humorist“ dar:
Tobias Haslinger beeilte sich jedenfalls mit der Veröffentlichung, die bereits am 16. Juni in der Wiener Zeitung erfolgte. Überhaupt war Tobias Haslinger bemüht seinen Vertragspartner in Wien auch während dessen Reise nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Außer den wenigen neuen Werken, in 1838 erschienen nur 4 neue Stücke bei Haslinger, annoncierte dieser ständig ältere Werke.
Danneben veröffentlichte Tobias Haslinger aber auch Werke von Phillip Fahrbach. Der „Humorist“ nannte Fahrbach als einen der gefährlichsten Gegner der den Zeus-Strauss zu entthronen versucht.
Die Meldung, daß Strauss im Anschluß an den Aufenthalt in Schottland und Irland auch noch nach Südfrankreich und dann zur Krönung nach Mailand reisen wollte zeigte zwar die Reisebereitschaft Strauss, läßt aber auch den Schluß zu, daß über viele Stationen der Reise spontan entschieden wurde und erklärt die teilweise eigenwillige, nicht nachvollziehbare Planung der Routen. Oder die Zeitungen waren einfach erfinderich.
Nach Mailand aber reiste Joseph Lanner und er exekutierte die Musik zur Krönung. Wir kommen darauf zurück.
In Wien machte sich der Gedanke breit, daß Strauss nicht mehr zurück kehren würde und manche Gerüchte besagten er würde nach Paris übersiedeln und Wien verlassen.
Daher veröffentlichte er in der Wiener Zeitung am 13. Juni die „Nothwendige Erklärung“..
„Der Unterzeichnete sieht sich durch die über seine Person und musikalischen Unternehmungen im Auslande ausgestreuten ungünstigen und mitunter ehrenwidrigen Gerüchte, welche sich in Wien, wie er vernommen hat, allgemein verbreitet haben, veranlaßt, hiermit öffentlich bekannt zu machen, daß die ihm hinsichtlich seiner bisherigen musikalischen Leistungen im Gebiethe des Vergnügens, in Wien, seiner geliebten Heimath, seit vielen Jahren zu Theil gewordene huldvolle Aufnahme, und sein dadurch gegründeter vorteilhafter Ruf, auch im Auslande denselben Anklang fand und alldort dergestalt in jeder Hinsicht auszeichnende Früchte trug, daß er stets und immer mehr Ursache hat, sich gegen ein verehrungswürdiges Publicum der erhabenen Kaiserstadt verpflichtet zu fühlen, dem er durch die Stellung, die ihm dessen unschätzbare Gunst anwies, auch sein auswärtiges Glück größtenteils verdankt.
Er hegt daher nur noch den innigsten Wunsch nach seiner möglichst baldigen Rückkunft jene gütige und ehrende Aufnahme, welche ihm früher zu Theil wurde, und auch auf seiner langen Reise ihn stets geleiteten, eben so in seiner Vaterstadt wieder zu finden.
London, im May 1838 Johann Strauss"
Am 23. Mai wirkte das Strauss Orchester bei einem Morgen-Konzert von Ignaz Moscheles mit. Das Programm ist überliefert. Ignaz (Isaak/Isack) Moscheles (* 23. Mai 1794 in Prag; † 10. März 1870 in Leipzig) war ein böhmisch-österreichischer Komponist, Pianist und Musikpädagoge. Von Hamburg übersiedelte er ab ungefähr 1825 nach London, wo er bis 1846 lebte und arbeitete.
Ignaz Moscheles
Über die Hofbälle am Hof der jungen Königin in London wurde auch in Wien kurz und knapp berichtet. Über ein Fest des Fürsten Esterhazy am 15. Juni, jenem Fürsten bei dessen Installation Strauss im Schloß in Eisenstadt er 1834 bereits die Tafelmusik spielte, wurde auch in Wien ausführlicher berichtet. Johann Strauss leitete die Musik, die abwechselnd von 2 Musik-Chören gespielt wurde.
Queen's Theatre, Later the Italian Opera House, Haymarket, London. Als Königin Victoria 1837 den Thron bestieg wurde das Theater in Her Majesty's Theatre, Italian Opera House umbenannt.
Am 26. Juni fand in London ein Festkonzert in der Italienischen Oper am Haymarket statt.
Dann nahte der Tag der Krönung. Die Plätze von denen aus man den Krönungszug sehen konnte wurden zu horrenden Preisen vermietet. .........
Ausgerechnet über mögliche öffentliche Auftritte des Strauss Orchesters am Nachmittag des 28. Juni, an jenem Tag an dem die gerade 19-jährige Victoria zur Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland gekrönt wurde, gibt es keine genauen Angaben. Johann Thyam schrieb lediglich „Musik bei der Krönung“ in sein Tagebuch. Ob das Strauss Orchester einfach im Hyde-Park oder irgendwo auf der Straße gespielt hat ist nicht bekannt. Die ganz Stadt war ja auf den Beinen und überall waren Feierlichkeiten, wie auch der „Humorist“ berichtet.
Abends spielte Strauss bei einem Ball bei Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington für 2000 Personen. Der Lord High Constable von England war ursprünglich der Kommandant der königlichen Armee und Master of the Horse am königlichen Hof. Später wurde der Titel der Krone einverleibt. Seither wird das Amt ausschließlich für die Krönung britischer Monarchen besetzt. Arthur Wellesley hatte dieses Amt bereits bei den Krönungen 1821 von Georg IV. und 1831 von Wilhelm IV. inne.
Daß Johann Strauss bei dem Hofball am 2. Juli im Buckingham Palast engagiert war konnten die Wiener in der Wiener Zeitung nachlesen. Ebenso berichtete die Wiener Zeitung von der Teilnahme des Strauss-Orchesters an einem glänzenden Ball bei Marschall Soult. Am 18. Juni wurde die Teilnehmerzahl mit 200 Personen angegeben, am 20. Juni wurden 12.000 Personen genannt. Wahrscheinlich waren es 1200. Strauss musizierte ! hieß es trocken.
Auch über das Konzert im Garten-Etablissement Royal Benlo Spa in Norfolk am 13. Juli welches zum Besten der in London lebenden polnischen Flüchtlinge gegeben wurde und welches von nahezu 10000 Personen besucht worden war und bei dem das Strauss´sche Orchester und sämtliche Mitglieder der italienischen Oper mitwirken, berichtete die Wiener Zeitung.
Am 23. Juli veranstaltete Fürst Schwarzenberg ein Fest in Castle-Hotel in London bei dem Johann Strauss mit seiner „Bande“ im Ballsaal spielte.
Felix Prinz (genannt Fürst) zu Schwarzenberg (* 2. Oktober 1800 in Böhmisch-Krumau; † 5. April 1852 in Wien) war ein österreichischer Staatsmann, Diplomat und Offizier. Nach einer kurzen militärischen Karriere wurde er Diplomat. Von Metternich gefördert, war er auf den wichtigsten Auslandsposten der österreichischen Diplomatie, in Sankt Petersburg, London, Paris und Turin tätig. Zuletzt war er Botschafter in Neapel.
Ebenso wurden die Wiener über den Hofball am 26. Juli, zwei Tage vor der Abreise der Strauss´schen Gruppe informiert. Die Wiener Zeitung berichtete, daß Johann Strauss eigens für diesen Ball einen Walzer mit dem Titel >Homage à la Reine de la Grande Bretagne< komponierte und uraufführte. Ein Werk mit einem solchen oder ähnlichen Titel ist nicht bekannt. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Walzer um das Opus 103, „Huldigung der Königin Victoria“, der allerdings schon bei dem Hofball am 10. Mai uraufgeführt wurde.
Tobias Haslinger zeigte das Werk am 24. September in Wien erstmals an.
An den beiden Tagen nach dem Krönungsfest spielte Strauss noch jeweils einen Ball mit Konzert im Hanover Square, dann ging es, wieder im Zick-Zack durch Mittel- und Nordengland und nach Irland.
Am 29. Juli fuhren die 30 Personen der Reisegesellschaft Strauss von London nach Birmingham, vermutlich mit der London and Birmingham Railway (L&BR), Abfahrt von der Londoner Euston Station
Eingang der Londoner Euston Station der London and Birmingham Railway im 19. Jahrhundert
Am 20. Juli 1837 wurde der erste Abschnitt zwischen dem Londoner Bahnhof Euston und Boxmoor bei Hemel Hampstead eröffnet. Die Inbetriebnahme der restlichen Strecke hätte am 28. Juni 1838 erfolgen sollen, dem Tag der Krönung von Königin Victoria, doch waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Die L&BR erkannte jedoch, daß das Verkehrsaufkommen an diesem Tag besonders hoch sein würde. Sie zog deshalb die Eröffnung der Abschnitte Birmingham − Rugby und London − Bletchley vor und richtete auf dem mittleren Teilstück eine Postkutschenverbindung ein. Die Kutschenfahrt dauerte viereinhalb Stunden. Der durchgehende Betrieb wurde erst am 17. September 1838 aufgenommen.
Strauss’ Aufenthalt in Birmingham dauerte 4 Tage. Es fand allerdings nur ein Konzert in der Town Hall statt, dann ging es für 3 Tage nach Liverpool. Vom 6. bis 12. August pendelte Strauss täglich zwischen Manchester und Liverpool, reiste also täglich 55 km, schätzungsweise 7 bis 8 Stunden, und spielte abends ein Konzert. Nach einem fünftägigen Aufenthalt in Dublin ging es zwischen dem 20. und dem 25. August wieder mehrmals zwischen Liverpool und Manchester hin und her.
In Dublin fanden Konzerte im Theater Royal in der Hawkins-Street und im Saal Rotunda statt.
Zwischen dem 26. August und dem 11. September stationierte das Strauss Orchester nochmals in Birmingham, in Leamington, noch einmal in Cheltenham und Bath, in Clifton, Southhampton, Brighton, Portsmouth und Southhampton. Bei dem letzten Besuch vom 11. bis 13. September in London waren keine Veranstaltungen mehr. Danach setzte die Gruppe wieder nach Frankreich über. Auch diese Reise ist nicht recht erklärbar, denn am 26. September erreichte die Gruppe erneut das Star Hotel in Southhampton. In den knapp 2 Wochen waren in Frankreich Boulogne, Abbeville, Dieppe, Le Havre, Rouen und abermals Le Havre Stationen, bevor die Überfahrt von Le Havre nach Southhampton ging.
Von dem Konzert am 17. September im Cirque des Art in Boulogne ist ein Plakat erhalten. Ebenso von den vorletzten Konzert im Hanover Square Room in London vor der Krönung am 23. Juni 1838. Beide befanden sich im Besitz von Eduard Strauss. Die Programme der beiden Veranstaltungen waren nahezu identisch.
In den kommenden 9 Wochen spielte Strauss nur rund 40 Konzerte und Bälle, reiste aber 2100 km, also wieder die gleichen Strapazen, aber inzwischen war Herbst und der Winter nahte. Von Southhampton ging es nach Reading, Cheltenham, Leamingtom, Worcester, Stratford, Leicester, Derby, Nottingham, Shefffield, Huddersfield, Hallifax, Leeds, Hallifax, Huddersfield, Leeds, York, Hull, Huddersfield, Hallifax, Leeds, Newcastle, Carlilse, Edinburgh, Glasgow, Edinburgh und Glasgow.
Mitte November erkrankte Johann Strauss in Schottland an schwerer Influenza, trotzdem dirigierte er, von Fieberstößen geschüttelt, weiter.
Carlilse, Newcastle, Leeds, Bradford, Hull, Wakefield und Derby waren die nächsten Stationen. In Derby verabreichte ein Arzt ihm, dem schon chronisch an Husten leidenden, eine Dosis Opium die beinahe tödlich gewesen wäre.
Von Leicester ging es nach Wellington, wo Johann Strauss endgültig die Kräfte verließen und wo ein Vertreter das Konzert am 30. November in den Wellington Rooms dirigieren mußte. Vergessen wir dabei nicht, daß auch die Musiker sämtliche Reisen, genau so wie der Chef, absolvieren mußten, daß sie mitunter noch länger tätig waren als der Orchesterleiter, der sich manchmal im Laufe des Abends vertreten lassen konnte. Auch ist bei aller bekannter Großzügigkeit von Johann Strauss davon auszugehen, daß die Musiker nicht unbedingt den gleichen Komfort in den Unterkünften vorfanden und auf den Reisen “genossen“ als der Maestro. Dieser hatte aber auch noch Organisations- und Repräsentationsaufgaben und hat zwischendurch ja auch offenbar noch komponiert und arrangiert. Und die Gruppe war Anfang Dezember noch in England und mußte noch nach Wien.
Auch die am 20. Juni eröffnete, 61 englische Meilen lange Eisenbahnstrecke zwischen Newcastle und Carlisle, auf der am Eröffnungstag 35,000 Reisende in einer Wagenreihe, welche einen Flächenraum von 1,5 Meilen einnahm, gezählt wurden, war wohl eine interessante Neuigkeit aber doch keine nennenswerte Entlastung von den Reisestrapazen, wenn die Strauss´sche-Reisegesellschaft auf den beiden Strecken am 31. Oktober und am 17. November die Eisenbahn benutzt hat, wovon ausgegangen werden kann.
Am 15. September schrieb Strauss an seinen Freund, den Kapellmeister Adolf Müller
Boulogne, 15. September 1838
Lieber Herr v. Müller !
Seit meiner Abreise von London konnte ich wohl keinen bestimmten Aufenthalt angeben,
um mir ein Schreiben von Ihnen erbitten zu können, da ich in dieser Zeit eine
große Tour in England machte, die namhaften Städte nur in Eile besuchte,
die schon eingeleitete Produktion abhielt und dernach größtenteils sogleich abreiste,
so daß ich beynahe jeden Tag in einer anderen Stadt mich befand, indem man hier
überaus schnell reisen kann, der guten Pferde und schönen Straßen wegen.
Insbesondere kommen noch, dem Reisenden zum Vortheile die Eisenbahnen,
welche Riesen-Werke ich alle tüchtig benutze, z.B. in Liverpool, Manchester,
Birmingham usw.
Auch war ich in Schottland, Irland. Die Kosten, in England mit 28 Personen
größtentheils per Extra-Post zu reisen, in Hotels zu logieren und alle nur möglichen
Bedürfnisse auf anständige Art herbey zu schaffen, – reichen wohl an das Unglaubliche
und übertreffen alle meine früher gemachten Erfahrungen auf Reisen, welche nähere Auseinandersetzung ich mir vorbehalte, bey meiner Rückkunft Ihnen mündlich mitzuteilen .... Schließlich bitte ich, mir Ihr nächstes Schreiben nach Bordeaux post retante einzusenden
und ... grüße Sie als Ihr dankbar ergebenster Freund
Johann Strauss
Falls Adolf Müller nach Bordeaux geschrieben hat, hat dieses Schreiben keinen Empfänger gefunden. Johann Strauss reiste nicht nach Bordeaux sondern über Abbeville, Dieppe, Le Havre, Rouen und wieder Le Havre zurück nach England.
In Schottland war Strauss noch nicht. Edinburgh und Glasgow folgten im November.
Aus Edingburgh schrieb Strauss am 3. November wider an Müller:
Sie werden wohl schon in Erfahrung gebracht haben, daß ich, kaum in
Frankreich gelandet, einer mir nachgesandten Aufforderung abermahlen nach
England folgte, und schon bereits eine bedeutende Tour davon zurücklegte.
Nun befinde ich mich in Schottland, in dem bekanntlich schönen Edinburgh,
eine der schönsten Städte, die ich je gesehen. Ich werde, schier mit der
benachbarten Stadt Glasgow abwechselnd, meine Produktionen geben und
dann eiligst zur Rückreise schreiten, um bis Weihnachten in Wien
eintreffen zu können ...
Dieses Schreiben lässt also den Schluß zu, daß die erneute Rückkehr nach England durch nachgeschickte Einladungen zustande kam, und in der Tat ging die Heimreise von Glasgow aus verhältnismäßig geradlinig von statten.
Wo die Eisenbahn noch nicht zur Verfügung stand reiste die Gruppe mit englischen Coaches die so oder so ähnlich aussahen wie auf dem Titelblatt des Opus 105 dargestellt.
Wer die Reisegruppe verließ, vielleicht 2 Mitglieder welche des Reisens satt waren und schon früher zu ihren Familien nach Wien zurück gekehrt waren, wissen wir nicht. Es waren nur noch 28 Personen unterwegs. Oder aber die Zahlen stimmen nicht.
Adolf Müller Senior (eigentlich: Matthias Schmid) (* 7. Oktober 1801 in Tolna (Ungarn); † 29. Juli 1886 in Wien) war ein österreichisch-ungarischer Schauspieler und Komponist. Müller war mit über 650 nachweisbaren Bühnenwerken (deren Partituren zum großen Teil in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek erhalten sind) einer der mengenmäßig fruchtbarsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Viele damalige Schlager stammten von ihm, zum Beispiel das Wanderlied „Wir wollen in die Stadt marschieren“ aus Johann Nestroys Posse Lumpazivagabundus (1833), die sich weltweit verbreitete.
Weitere 1500 km Landreise und eine weitere Ärmelkanalüberfahrt lagen vor der Gruppe. Zunächst ging es am 2. Dezember über Rugby und London erneut nach Calais. Beim Abschiedskonzert in Calais am 5. Dezember bricht Johann Strauss im Saal der Philharmonie während der dritten Nummer bewußtlos zusammen. Schonend will man offenbar nach Wien zurück. Zunächst hält sich die Gesellschaft noch 2 Tage in Calais auf, Veranstaltungen finden nicht mehr statt. Am 7. und 8. Dezember wird Paris passiert und am 10. Dezember erreicht man Straßburg. Dort allerdings liegt Johann Strauss 4 Tage bewußtlos im Hotel darnieder. Offenbar hat sich die Gruppe dann aufgelöst, denn am 16. Dezember erreicht Strauss mit nur noch 21 Musikern München wo man im Gasthaus Gmächle noch einmal 2 Tage ausruht, bevor die Fahrt über Linz, wo Johann Strauss nochmals in ein lebensgefährliches Delirium fällt, nach Wien geht. Dort kommt die Gruppe am 24. Dezember nach 447 Tagen an.
Aus München wird berichtet:
Strauss war hier, der Walzerkönig, aber in welchem Zustande! Er, der im Oktober vorigen Jahres, voll Leben, und durch die Macht der schönen Töne den schönsten Lebensgenuß bereitete, kam am Sonntag, den 16. Dezember, krank hier an .................... und fuhr am 18 Dezember früh nach Wien ab.
Johann Strauss war damals noch nicht 35 Jahre alt.
Am Weihnachtstag lasen die Wiener:
„Der Capellmeister Strauss ist endlich in Wien angekommen, aber so leidend, ......daß es einer geraumen Zeit bedürfen wird ihn vollkommen gesund zu sehen. Sobald wird er also nicht öffentlich spielen“.
1839
Johann Strauss wohnte offenbar noch immer im Hirschenhaus, obwohl er bereits 3 Kinder mit Emilie Trambusch hatte. Zu dem Leben im Hirschenhaus zitiert Rudolph Freiherr Prochazka in seiner 1899 erschienenen Strauss-Biographie Johann Strauss Sohn:
„Mein Vater wohnte in einem besonderen Apartement, abgesondert von der Familie, wie das bei seiner anstrengenden Lebensweise kaum anders möglich gewesen wäre. Im Fasching beschäftigte er nicht weniger als drei Kapellen, er fuhr von der einen zur anderen, dirigierte ein paar Nummern und überließ dann die Leitung dem Orchesterdirigenten. Natürlich nahm diese Tätigkeit einen großen Theil der Nacht in Anspruch. Und dann blieb er gewöhnlich noch mit guten Freunden sitzen. Er war zwar weder ein Trinker noch ein Raucher aber in lustiger Gesellschaft weilte er gern. Da wurde es dann oft recht spät, und mein Vater schlief dann bis tief in den Morgen hinein. Der Tag war gleichfalls besetzt, eine Menge von Besuchern kam, und dann forderten die Kompositionen viel Zeit. Es ist ganz natürlich, daß er da ungestört sein wollte. Dadurch aber kam es, daß er selten eine Ahnung hatte, was in der Familie drüben geschah. Nun ließ er uns zwar Unterricht geben, mir und meinem Bruder Pepi – Eduard war damals noch zu klein – aber er glaubte wir klimperten eben so schlecht und recht wie Dilettanten. Allein wir betrieben de Sache mit Passion, und ich darf wohl sagen, wir waren beide tüchtige Klavierspieler. Davon hatte er keine Idee. Die Proben zu seinen Konzerten wurden in der Wohnung abgehalten. Wir Buben paßten genau auf jede Note, wir lebten uns in seinen Chic ein, und zu vier Händen spielten wir dann nach, was wir erlauscht hatten, flott, ganz in seinem Geiste. Er war unser Ideal. Wir waren oft in Familien geladen, bei Hohenblum, Hasenauer, Wissgrill etc., und da spielten wir dann unter großem Beifall aus dem Gedächtnisse die Kompositionen unseres Vaters. Eines schönen Tages gratulierte ihm ein Bekannter – es war der Verleger Carl Haslinger – zu unserem Erfolg. Er war nicht wenig erstaunt. „Die Buben sollen herüberkommen“, entschied er kurz. Wir schlichen, nichts Gutes ahnend, in das Zimmer unseres Vaters. ...... nun spielten wir, daß es eine Art hatte; alle Orchesterstimmen brachten wir zu Gehör. Lächelnd hörte uns der Vater zu, und man sah ihm das Vergnügen und die Rührung vom Gesichte ab. „Buben, das spielt euch niemand nach !“ Das war alles, was er sagte, aber zur Belohnung bekam jeder von uns einen schönen Burnus. Trotzdem wollte mein Vater nicht, daß wir uns berufsmäßig in der Musik ausbilden; auch die Mutter war nicht dafür.“
Im Karneval 1839 stand der Walzerkönig, erschöpft von der Reise, seinem Publikum in Wien wieder zur Verfügung. Wann die Vereinbarung zwischen Johann Strauss und Joseph Scherzer über die Leitung der Musik bei den Bällen im Karneval „im Sperl“ zustande kam ist nicht bekannt, es wäre aber interessant. Vielleicht wußte Strauss bei seiner Abreise im Oktober 1837 schon, daß im folgenden Jahr Joseph Lanner im Sperl engagiert ist und nutzte diese Sperl-freie-Zeit für die Reise, dies war ihm also vielleicht eine Begründung für das Fernbleiben aus Wien.
Der „Humorist“ informierte seine Leser bereits am 5. Januar, daß Johann Strauss von seiner Reise zurück gekehrt und von der Seekrankheit kuriert sei, spielte also die Krankheit herunter.
Jedenfalls hatten sich alle anderen Herren Gastgeber schon auf einen Fasching ohne Johann Strauss eingestellt und andere Musikdirektoren verpflichtet. Das Strauss Orchester spielte nur „im Sperl“. Am 10. Januar fand ein Fortuna-Ball in den Sälen zum Sperl unter dem neuen Engagement des Herrn Capellmeisters Johann Strauss nach dessen Rückkehr von seiner Reise statt, wobei einstweilen sein Orchester-Personal die Ball-Musik mit gewohnter Präcision besorgen wird“. Das selbe traf auch für den ersten Champagner-Ball am 12. Januar zu. Erst den großen Ball am 13. Januar leitete der Meister selbst.
An jenem Sonntag-Abend erschien Johann Strauss erst gegen 10 Uhr auf dem Podest und präsentierte seinem Wiener Publikum zwei neue Werke, den „Boulogner-Galopp“, Opus 104 und den Walzer „Freuden-Grüße“, Opus 105, mit dem Motto: „Überall gut - in der Heimath am besten“.
Der Titel des Galopps sei für die herzliche Aufnahme die Strauss im Vorjahr in Boulogne zuteil geworden war gewählt worden. Der „Humorist“ schilderte den ersten Auftritt am 16. Januar in der Rubrik „Karnevalistisches“.
In den k.k. Redoutensälen, im Saale zum goldenen Strauß und in Dommayer´s Casino leitete Joseph Lanner die Musik, im Apollo-Saal Carl Bendl, in Lindenbauer´s Casino in Simmering, im Casino im Landgut vor der Favoriten-Linie und „zum guten Hirten unter den Weißgärbern“ Franz Ballin, in Zögernitz´s Casino Ludwig Morelly und Philipp Fahrbach „zur goldenen Birn“.
Die Serie der Bälle „im Sperl“, donnerstags Fortuna-Bälle, samstags Champagner-Bälle, sonntags öffentliche Bälle setzte sich bis Faschingsende fort. Faschings-Dienstag war der 12. Februar. Dazwischen wurden noch einige Gesellschafts- und Privatbälle abgehalten. Nicht von allen sind Details bekannt.
Am 16. Januar war ein Gesellschaftsball und am 22. Januar der Gesellschaftsball zur Bestreitung der nötigsten Bedürfnisse des Armen-Versorgungshauses der Leopoldstadt und Jägerzeile bei dem Johann Strauss die Musik persönlich leitete und sein Opus 105 noch einmal spielte.
Am 25. Januar zeigte Tobias Haslinger den „Boulogner-Galopp“ nach Motiven aus der Oper „Die Botschafterin“ von Daniel-François-Esprit Auber an und wies gleich auf die in kurzem folgende Erstausgabe des Opus 105, „Freuden-Grüße“ hin, die am 2. März folgte. Die Oper Die Botschafterin wurde am 21. Dezember 1836 in der Opéra Comique in Paris uraufgeführt.
Vielleicht waren die Wiener doch etwas verstimmt über die lange Abwesenheit ihres Vorgeigers. Scherzer mußte die Namen des Herrn Capellmeisters in den Anzeigen in großen Buchstaben drucken lassen und ab dem Fortuna-Ball am 24. Januar wurde bei allen folgenden Bällen zusätzlich „jeder anwesenden Dame ein passendes Souvenir gespendet“.
Am 5. Februar veranstaltete Johann Strauss dann seinen einzigen eigenen Ball in diesem Karneval, wie immer bei außerordentlicher Beleuchtung und Decorierung. Er nannte das Fest in den beyden Tanz-Sälen zum Sperl "Die geographische Blumenlese" oder „Seine Lieblings-Blüthe“ und führte dabei sein Opus 109, den Walzer „Exotische Pflanzen“ erstmals auf.
So ging der für Johann Strauss´sche Verhältnisse ruhige Karneval zu Ende. Doch offenbar war Johann Strauss von den Strapazen der Reise immer noch nicht erholt. Zum Ende des Faschings erlitt er erneut einen Zusammenbruch, und zwar bei einem Ball in der russischen Gesandtschaft. Das Datum des Balles ist nicht genau bekannt. Anfang März, vom 3. bis zum 13. war der Großfürst Thronfolger Alexander Nicolajewitsch von Rußland in Wien zu Besuch. Möglicherweise fand der besagte Ball in der Gesandschaft während des Aufenthaltes des hohen Gastes statt.
Alexander II. Nikolajewitsch (* 17.jul./ 29. April 1818 greg. in Moskau; † 1.jul./ 13. März 1881 greg. in Sankt Petersburg) war 1855 bis 1881 Kaiser von Rußland aus dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp.
Johann Strauss hatte während der Fastenzeit Gelegenheit sich zu erholen, Tobias Haslinger nutzte die Zeit zur Ausgabe neuer Werke.
Am 2. März erschien das Opus 105, am 6. März Opus 106. Der „Humorist“ berichtete schon in seiner Ausgabe vom 7. August 1837, daß Johann Strauss bei einem Fest in Dommayer´s Casino ein Werk mit dem Titel „Muikalischer Telgraph“, Kaleidoscop von Walzern usw. aufgeführt habe. Handelte es sich um das gleiche Werk ? Hat Haslinger mit der Veröffentlichung bis 1839 gewartet obwohl er im gesamten abgelaufenen Jahr nur 4 neue Werke von Johann Strauss ausgab ? Am 10. April folgte dann noch die Erstausgabe des Opus 107, des „Versailler–Galopp“.
Dann war die Fastenzeit vorbei und die Frühlings-Saison begann. Jospeh Lanner schloß ein neues Engagement mit Joseph Stippberger, dem Eigentümer des Hotel zur goldenen Birn ab, „dessen reichlicher Muse von nun an das ganze Musikwesen dieser Localität anvertraut ist“. Auch in Dommayer´s Casino war Lanner weiter tätig. In Zögernitz´s Casino war wieder Ludwig Morelly engagiert, im Casino im Landgut Carl Bendl, während der Apollo-Saal am 21. April zum letzten Mal reich und glanzvoll für das letzte große glänzende Ball-Fest beleuchtet wurde.
Nach diesem Ball wurde „das Apollo“ in eine Kerzenfabrik umgewandelt. Die darin produzierten Kerzen erhielten den Namen Apollo-Kerzen.
Der Apollosaal als Kerzenfabrik zwischen 1839 und 1859. 1839 wurde der Apollosaal an eine Gesellschaft von Seifensiedern verkauft, die dort bis zum Brand von 1876 die Erste österreichische Seifensieder-Gewerks-Gesellschaft „Apollo“ betrieben
Johann Strauss schonte sich noch bis Anfang Mai und lies sein Orchester-Personal die ersten Bälle ohne sein persönliches Erscheinen, durch einen „Substituden“ dirigieren.
Die bereits im „Humorist“ am 16. November 1838 erwähnten, in Frankreich erschienen „Les soirées de Vienne“ aus acht der besten Walzer von Johann Strauss in neuem Arrangement mit dazu gedichteten Texten, waren ab dem 18. April auch in der Kunst- und Musikalienhandlung von H.F. Müller am Kohlmarkt zu haben.
Am 1. Mai trat Johann Strauss wieder erstmals selbst vor das Publikum. Das Maifest fand dieses Jahr als Große Frühlings-Assemblée betitelt in den Gärten und Sommer-Sälen des Sperl statt und nicht wie in den Vorjahren im k.k. Augarten. Johann Strauss leitet von 1 bis 4 Uhr nachmittags und bei dem Ball im Fortuna-Saal ab halb 10 Uhr die Musik persönlich. Dazwischen spielte das Musik-Corps des löbl. Linien-Infanterie-Regiments Hoch- und Deutschmeister unter der Leitung von Franz X. Wiskoczil. Der Besuch soll enorm gewesen sein, 5000 Menschen strömten in die Leopoldstadt. Strauss führte, wahrscheinlich bei dem Ball abends, sein Opus 110, den „Taglioni-Walzer“ „Zur Erinnerung an die gefeyerte Dlle. Marie Taglioni“ erstmals auf. Der Walzer soll sechs Mal zur Wiederholung verlangt worden sein.
Für die Sommer-Saison hatte Johann Strauss die Leitung der Musik in Zögernitz´s Casino übernommen. Bei der ersten Nachmittags-Conversation am 5. Mai leitete er die Musik persönlich, während bei dem öffentlichen Ball „im Sperl“ am gleichen Tag, wie auch an allen darauffolgenden Sonntagen bis Ende September, immer ein Vertreter vor dem Orchester-Personale auftrat. Die Soiréen die ab dem 8. Mai jeden folgenden Mittwoch und Samstag in den sogenannten „Scherzer´s Gärten und Säle zum Sperl“ statt fanden, leitete Strauss selbst. In Zögernitz´s Casino fanden jeweils sonntags Conversationen und donnerstags Soiréen statt.
Anfang Mai informierten die Wiener Blätter die Bevölkerung, daß Johann Strauss die Einführung eines neuen Tanzes ankündigte, den er in Paris kennengelernt und ausgiebig studiert hatte: die französische Quadrille. Zugleich tauchte auch der Begriff >Soirée dansante< erstmals auf, eine Art der Programmgestaltung, welche dem Publikum sowohl konzertante Genüsse als auch die Freude des Tanzens an einem Abend ermöglichen sollte. Die erste Ankündigung lautete:
„Die in diesen Blättern bereits früher erwähnten Soiréen unseres gefeierten Strauss im Sperl nehmen künftigen Mittwoch, den 8. Mai, ihren Anfang und werden daselbst jeden Mittwoch und Samstag fortgesetzt. Hr. Strauss beabsichtigt insbesondere jeden Samstag Soirées dansantes zu veranstalten, welche diesen Unterhaltungen einen neuen Reiz verleihen dürften, indem von halb acht Uhr bis zehn Uhr Musikstücke sowohl ernsteren als heiteren Inhaltes aufgeführt werden, und von zehn Uhr bis Mitternacht Strauss die geehrten Anwesenden durch seine lebensfrischen Melodien zum Tanzen einladen wird, unter welchen Tänzen auch jedesmal eine >französische Quadrille< vorkommt. Auf diese Art könnte es Strauss gelingen, die beliebte Quadrille in Wien einheimischer zu machen, die wir erst jetzt durch seine treffliche Ausführung kennen lernen werden, und durch deren Production er sich selbst in Paris bei den vornehmen Cirkeln des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte“
In den Anzeigen der Wiener Zeitung taucht der Begriff Soirée dansant erstmals am 14. August auf und bezeichnet die Veranstaltung am 15. August „im Sperl“ als solche. Dommayer verwendete die neue Bezeichnung erst für seine Soirée dansante am 26. September. Uns begegnet der Begriff am 15. Oktober 1844 wieder !
Der 25. Galopp von Johann Strauss, das Opus 108, der „Gitana-Galopp“ erschien bei Tobias Haslinger am 14. Mai. Galoppe wurden separat nummeriert, erscheinen aber mit den hier verwendeten Opus-Zahlen auch in allen bekannten Opus-Listen. Am 22. Juni erschien das Opus 109, der Walzer „Exotische Pflanzen“.
Strauss war also im Mai an 4 Tagen in der Woche „im Sperl“ und in Zögernitz´s Casino beschäftigt. Montag, Dienstag und Donnerstag waren noch frei.
Am 5. Juni erschien die Ankündigung, daß Johann Strauss, eines erneuten Engagements zu Folge, die Musik in Dommayer´s Casino persönlich dirigieren wird und bemüht sein wird „den huldvollen Beyfall eines hohen Adels und geehrten Publicums, womit derselbe früher in dieser Localität durch 9 Jahre beglückt wurde .......zu erhalten“ Zunächst war eine große Soirée am 6. Juni ab 7 Uhr annonciert.
Warum der Wechsel von Joseph Lanner zu Johann Strauss während der Saison ?
Die erste Veranstaltung unter diesem neuen Engagement beim Dommayer war allerdings eine Soirée musicale am 2. Juni bei der 2000 Personen anwesend waren und über die der Humorist in einem langen Artikel in der Rubrik Lokales berichtete
Mit dem zusätzlichen Engagement bei Dommayer gab es Überschneidungen im Kalender die im Laufe des Juni ausgeräumt werden sollten. Zunächst aber war für den 10. Juni in den Sälen und Lustgärten zum Sperl ein Blumenfest geplant, welches wegen eingetretener ungünstiger Witterung unterbleiben mußte und am 12. Juni nachgeholt wurde. Dabei präsentierte Johann Strauss sein Opus 112 den Walzer „Londoner Saison“. 2000 Personen sollen die Uraufführung miterlebt haben.
Wahrscheinlich waren die Leser der Wiener Zeitung nicht wenig erstaunt, als sie am 22. Juni auf Seite 890 des Anhang die folgende Anzeige lasen:
Strauss und Lanner zeigten also an, daß sie von nun an ihre musikalischen Productionen gemeinschaftlich in sämtlichen Localitäten in Ausführung bringen werden und zwar abwechselnd von Woche zu Woche.
Diese angedachte Zusammenarbeit, sie beschränkte sich auf die Casinos von Dommayer und Zögernitz und überlebte das Jahr 1839 nicht, wurde in keiner mir bekannten Veröffentlichung über Johann Strauss Vater erwähnt. In vielen Büchern wird deren angebliche Rivalität in den Vordergrund gestellt.
Aber warum entschieden sich die beiden Capellmeister zu dieser Zusammenarbeit. War ihnen das tägliche Auftreten zu viel, wollten sie abwechselnd immer eine Woche arbeiten und eine Woche frei haben? Wollten Sie mehr Zeit zum komponieren oder zur Vorbereitung weiterer Auslandsreisen haben? Sicherlich kann man einen Grund ausschließen, nämlich die Furcht vor Konkurrenz.
Wir wissen auch nicht wie es die Orchesterleiter schafften die erforderlichen Musiker für das erhöhte Aufkommen und die Veranstaltungen speziell in der Karnevalszeit und der Sommer-Saison zusammen zu stellen, was taten die Musiker in der weniger geschäftigen Zeit des Jahres ?
So sah der Kalender von Johann Strauss im Juni aus:
Sonntag: Conversationen Zögernitz´s Casino
ab Juni auch sonntags Conversationen in Dommayer´s Casino
Montag: frei
Dienstag: Soiréen in Zögernitz´s Casino
Mittwoch: große Soirée zum Sperl
Donnerstag: große Soiréen in Dommayer´s Casino
Freitag: frei
Samstag: große Soirée zum Sperl
Nachdem Strauss „beim Dommayer“ die Leitung der Musik übernahm spielte Lanner nur freitags Soiréen „in der goldenen Birn“. Zumindest gab es keine Anzeigen über sonstige regelmäßige Produktionen.
In den übrigen Localitäten welche ihre Veranstaltungen in der Wiener Zeitung annoncierten waren Ludwig Morelly im Casino im Landgut, abwechselnd Morelly oder Johann Sehr in den Lichtenberger´sche Sommer-Localitäten, die Regiments-Kapelle Hoch und Deutschmeister unter Wiskoczil im Casino Garten Simmering und >zum großen Zeisig<, Franz Ballin oder Johann Sehr im Casino Gaudenzdorf, die Regiments-Musik Erzherzog Carl unter Mang oder das Musik-Chorps des Pionier´Corp unter Knofel im Colosseum und Leopold Leberbauer im Salon- und Badhausgarten Heiligenstadt tätig.
Die angekündigte Zusammenarbeit der beiden Wiener Stars läßt sich also von keiner Betrachtungsweise richtig begründen. Am nächsten liegt noch die Erklärung, daß die Besitzer der vier Lokale Strauss noch häufiger spielen lassen wollten, aber die Wunschtermine schon besetzt waren. Durch die Alternierung war Strauss wenigstens jede zweite Woche verfügbar.
Zunächst veranstaltete Johann Strauss am 25. Juni ein großes Fest mit Ball in dem neu wiedergewonnenen Dommayer´schen Casino in Hitzing das er „Die Überraschung auf dem Lande, oder Bilder schöner Erinnerungen“ betitelte.
Für diesen Abend komponierte er das Opus 115, den Walzer „Rosenblätter“ und führte ihn erstmals auf.
Am 30. Juni begann dann erstmals die Zusammenarbeit der beiden. Lanner übernahm an diesem Sonntag die Nachmittags-Conversationen in Dommayer´s Casino, während Strauss in Öber-Döbling bei Zögernitz spielte. Am kommenden Sonntag, den 7. Juli tauschten die beiden, am 14. Juli war es wieder so wie am 30. Juni. Ab dem 4. Juli kam donnerstags eine zusätzliche Soirée bei Zögernitz ins Programm. Die erste davon dirigierte Strauss, dafür übernahm Lanner die große Soirée „beim Dommayer“, am nächsten Donnerstag tauschten die beiden und eine Woche später wieder zurück.
Lanner spielte nicht „im Sperl“, Strauss nicht „in der goldenen Birn“. Ob die Anzeige so gemeint war ?
Die Capelle des k.k. priv. Prager bürgerl. Scharfschützten-Corps war im Juli „mit Urlaub auf Kunstreise“ also zu Besuch in Wien und hatte Gastauftritte in einigen Lokalen, am 18. Juli „in der goldenen Birn“, am 21. Juli in Zoegernitz´s Casino und auch >zum grossen Zeisig<. Dort übernahm Joseph Lanner die Ausführung von Soiréen. Diejenige am 20. wurde angekündigt, weitere nicht. Am 21. Juli wurde bei einem großen Fest unter dem Titel „Das Binderfest im Colosseum“ als Vorfeier des Brigitten-Kirchtages das Riesen-Faß mit 4800 Eimern Fassungsvermögen eröffnet. Wir haben 1837 schon über Attraktionen im Colosseum geschrieben.
Ebenfalls am 18. Juli annoncierte Tobis Haslinger die beiden Opera 67 und 77 von Johann Strauss in der Wiener Zeitung mit dem Hinweis, daß Johann Strauss diese beiden Walzer Guirlanden bei seinen musikalischen Soiréen mit Erfolg vorträgt und diese die schönsten Nummern früherer Walzer beinhalten. War Strauss mit Werken in Bedrängnis weil er auf seiner langen Reise zu wenig komponiert hatte, wollte aber keine alten Werke einfach wiederholen und hat daher daraus Gurilanden gefertigt?
Am 26. Juli spielten Strauss und das Musik-Corps des k.k. Infanterie-Regimentes Erzherzog Carl unter Kapellmeister Mang bei einer Abendunterhaltung auf dem Wasser-Glacis zur Feier des Allerhöchsten Namensfestes Ihrer Majestät der Kaiserin bei einem großen Fest. Der Ertrag war zum Besten des Waisenhaus-Fonds bestimmt.
Für die Ankündigung seines nächsten großen Festes am 29. Juli „im Sperl” reservierte Johann Strauss gleich eine halbe Seite in der Wiener Zeitung. In Riesenbuchstaben kündigte er ein außerordentliches Fest mit Ball unter dem Titel „Rübezahl’s Zauber-Gefilde im Festschmuck” in den Gärten und Sälen zum Sperl an. Es war der zweite Tag des Brigittenauer Kirchweihfestes. Der Zusatz „bei günstiger Witterung” war immer erforderlich. Auch dieses Fest fiel zunächst dem Wetter zum Opfer und wurde schließlich am 5. August nachgeholt. Aber auch an diesem Tag war es stürmisch, das Fest fand zwar statt, aber der Haupteffect der Illumination wurde dadurch gänzlich gestört und viele Tische blieben unbenutzt, das Fest war also kein Erfolg. Der Walzer „Die Berggeister”, Opus 113 wurde an diesem Abend aus der Taufe gehoben.
Die Titelvignette der Klavierausgabe zeigt die Dekoration der Sperl-Lokalitäten an diesem Abend durch die Strauss seine Besucher in jenes Geisterreich Rübezahls entführen wollte.
Johann Strauss wiederholte das Fest eine Woche darauf, am 12. August, um vielseitig ausgesprochenen Wünschen zu begegnen.
Dieses Fest fand dann wohl ungestört statt. Tags darauf, am 13. August veranstaltete Johann Strauss in Dommeyer’s Casino eine außerordentliche Soirée. Neben einem besonderen Arrangement kündigte Strauss die Teilnahme von 2 Musik-Chören an. Wer außer seinem Orchester noch spielte oder ob er zwei eigene Orchester aufbot ist nicht bekannt. Gleiches bot er am nächsten Tag bei einer von ihm veranstalteten Soirée in den Sälen und Lustgärten zum Sperl. Am Tag darauf fand dort eine Soirée dansant statt. Es war der 15. August, Maria Himmelfahrt, an welchem wohl die donnerstäglichen Veranstaltungen beim Dommayer und Zögernitz unterblieben und daher der Termin für die Soirée mit Tanz frei war.
Am 1. August zeigte Tobias Haslinger erstmals das Opus 110, den „Taglioni Walzer- Zur Erinnerung an die gefeyerte Dlle. Marie Taglioni“, dessen Uraufführung nicht ganz klar ist, an.
2 Tage später legte Haslinger ein vollständiges Verzeichnis von sämtlichen Walzern welche bei ihm erschienen sind, kostenlos in jedes Exemplar der Wiener Zeitung und zeigte die Beilage auch im Blatt an.
Marie Taglioni die Ältere (* 23. April 1804 in Stockholm, Schweden; † 22. April 1884 in Marseille) der das Opus 110 gewidmet war, war eine italienische Tänzerin
Marie Taglioni war der erste Star des romantischen Balletts. Sie gilt als erste Meisterin des Spitzentanzes. Ihre Weltkarriere nahm ihren Anfang, als sie 1832 an der Pariser Oper in dem Ballett La Sylphide von Jean Schneitzhoeffer auftrat. Der Choreograph des Stückes war ihr Vater, Filippo Taglioni.
Am 18. September 1832 heiratete sie in London Jean-Pierre Victor Albert Gilbert de Voisins (Geburtsdatum unbekannt, gestorben 1863). Mit ihm hatte sie zwei Kinder.
Marie Taglioni verließ das Ballet de l'Opéra de Paris 1837 und ging nach Sankt Petersburg zum Mariinski Ballett.
1847 setzte sie sich als Tänzerin zur Ruhe, arbeitete aber weiter als Tanzlehrerin
Für Anfang September war eine erneute Kunstreise geplant. Da dem Herrn Kapellmeister Strauss kurzfristig die hohe Ehre zu Teil wurde sich vor dem allerhöchsten Hofe in Schönbrunn produzieren zu dürfen, mußte die Reise nach Brünn sowie die bereits für diesen Tag geplanten Veranstaltungen in der mährischen Hauptstadt verschoben werden.
Am 3. September brach Johann Strauss dann auf. Dieses Jahr allerdings nur für 3 Tage und nur ins nahe Brünn. Am 3. und 4. September spielte das Strauss Orchester jeweils bei musikalischen Akademien im Theater in Brünn und abends bei Bällen in der Redoute Brünn, dem Reduta Theatre, dann war auch schon wieder die Rückreise nach Wien, wo Strauss „im Sperl“ von dem Musik-Chor des Regiments Hoch- und Deutschmeister unter Capellmeister Wiskoczil vertreten wurde und wo man Anfang September schon Vorkehrungen für den Fall von kühler Witterung traf und die Wintersäle herrichtete.
Am 7. Juli 1839 wurde die Eisenbahnlinie Wien-Brünn der Kaiser Ferdinand Nordbahn fertig gestellt und der erste Zug erreichte die Stadt. Sicherlich reiste Strauss mit seinem Orchester-Personal mit der Bahn nach Brünn. Ein weiterer Besuch Brünns wie „vom Humorist“ angekündigt, noch vor Advent 1839, kam nicht zustande. Ebensowenig eine Reise nach Graz von wo Strauss Ende Oktober einen „für ihn äußerst schmeichelhaften Ruf“ bekommen haben soll.
Am 11. September veröffentlichte Tobias Haslinger den „Indianer Galopp“, den 26. Galopp, das Opus 111, dessen Uraufführungsdatum und -ort nicht bekannt sind. Der tüchtige Haslinger lies sich ständig Neues einfallen um seinen Star zu vermarkten und seinen Reichtum zu vermehren. Am 19. September veröffentlichte er die erste einer Reihe von „Sammlungen der schönsten Walzer von Johann Strauss im leichteren Style und in leichten Tonarten für das Pianoforte“ unter dem Titel „Die junge Tänzerinn“ Die erste Anzeige umfasste eine Sammlung von 10 Heften, gleich 10 Walzern.
Zum Beschluß der Sommer-Saison folgte, vielseitig ausgesprochenen Wünschen zu Folge, eine Soirée dansante am 26. September in Dommayer’s Casino die am 3. Oktober, zum Besten der durch Feuer verunglückten in Lainz, noch einmal wiederholt wurde.
Im Oktober und November war Tobias Haslinger noch einmal sehr aktiv. Am 1. Oktober erschienen als „Reminiscence de J. Strauss“ 6 Rondinos élégants aus Melodien von Walzern von Strauss von Carl Haslinger, tags darauf die Erstanzeige des Opus 112, dem Walzer „Londoner Saison“ und wieder einen Tag später die nächste Sammlung von „Die junge Tänzerinn“, weitere 6 Hefte, gleich 6 Walzer, am 2. November eine Strauss Soirées, eine Sammlung beliebter Musikstücke 4 Hefte mit 16 Werken von Strauss und anderen Komponisten, sowie am 4. November erstmals das Opus 113 der Walzer „Die Berggeister“ und gleich am darauffolgenden Tag die nächste Sammlung vom „Die junge Tänzerinn“ nur aus dem Opus 113 bestehend.
Den Abschluß der Saison bildete die letzte Soirée am 15. Oktober im Sperl.
Dann folgten sonntags außergewöhnliche Soiréen mit Ball in sämtlichen Sälen zum Sperl, sowie die Nachmittags-Conversationen in Dommayer’s Casino und Zögernitz’s Casino, nicht mehr abwechselnd von Lanner und Strauss geleitet, sondern bei Dommayer spielte Strauss, bei Zögernitz Lanner, wie der Humorist berichtete.
Für „den Sperl“ kündigte Strauss eine Neuerung an , ab dem 6. Oktober fanden in beiden Sälen des Sperl außergewöhnliche Soiréen mit Ball statt und Johann Strauss teilte sein Orchester. Im oberen Saale wurden Soiréen und in dem unteren Saal wurden Bälle abgehalten.
Das letzte Fest zum Vorteil von Johann Strauss in 1839 war der Katharinen-Fest-Ball in den Sälen zum Sperl welchen er am 25. November veranstaltete und für den er seine Opera 114 und 116, den „Furioso-Galopp nach Liszt´s Motiven“ und den „Wiener Gemüths-Walzer“ komponierte und abends uraufführte. Der Galopp von Franz Liszt war der „Grand Galop Chromatique“. Auch für das Katharinen-Fest blieb es bei der Zuordnung der Localitäten. Joseph Lanner veranstaltete sein Ballfest am gleichen Tag im Hotel zur goldenen Birn.
Franz List war auf dem Beginn einer acht Jahre dauernden Konzerttournee durch ganz Europa in Wien eingetroffen und gab sein erstes Konzert am 19. November im Musikvereinssaal. Nachdem sich im Oktober 1839 seine und seiner Frau Marie Wege trennten, kehrte sie nach Paris zurück, Franz reiste zu Konzerten nach Wien, Preßburg und Pest und in den folgenden Jahren rastlos durch Europa. Am 8. Dezember soll Liszt trotz fiebriger Erkältung eine Conversation von Johann Strauss in den Sälen zum Sperl besucht haben bei der das Werk aufgeführt wurde und viermal wiederholt werden mußte.
Anfang Dezember waren die Vorbereitungen für den kommenden Karneval bereits weit fortgeschritten. Am 5. Dezember kündigte Joseph Scherzer in der Wiener Zeitung an, daß bezüglich des Carnevals 1840 nur mehr wenige Tage zur Besetzung frei sind, daß die beiden Säle durchaus auch getrennt gemietet werden können und daß die Musik stets unter der persönlcihen Direction des Herrn Capellmeister Johann Strauss stehen wird.
Noch einmal kurz zurück in den Juli und August . Am 9. Juli, dem 27. Juni des julianischen, des alten Kalenders soll Johann Strauss von der Direktion der Zarskoje-Selo Eisenbahn, die zwischen St. Petersburg und Pawlowsk unter maßgeblicher Mitwirkung des österreichischen Eisenbahnpioniers Franz Anton Ritter von Gerster entstanden ist, eine Anfrage erhalten haben um im neu errichteten sogenannten >Vauxhall-Gebäude< an der Endstation in Pawlowsk eine hochwertige Salon- und Unterhaltungsmusik zu übernehmen. 1838 war Strauss auf Auslandsreise und nicht verfügbar. Nun versuchten es die russischen Manager für das Jahr 1840 erneut. Strauss sollte persönlich zu Verhandlungen kommen oder schreiben, ob er bereit sei, mit seinem Orchester dort zu spielen. Auf die wiederholte Anfrage vom 31. August (19. August) soll er angeblich reagiert und eine Honorarforderung über 40.000 Gulden gestellt haben und zwar für den Zeitraum vom 1. April bis 1. Oktober 1840, für ein sechsmonatiges Gastpiel mit 24 Mann. Der Entwurf des Antwortschreiben liegt im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Doch erneut ist nichts daraus geworden, erst später soll Pawlowsk füer alle drei Strauss Söhne von nachhaltiger Bedeutung werden. Andererseits berichtet „Der Humorist“ am 20. Februar bereits, daß die Direction der Zarskoje-Selo-Eisenbahn dem Karlsbader Kapellmeister Labitzki, dem „böhmischen Strauss“ ein ähnliches Angebot unterbreitet haben soll.
Am 10. Oktober 1837 wurde die erste Eisenbahnlinie Rußlands zwischen St. Petersburg und Pawlowsk eröffnet. Das Bahnhofsgebäude, welches unmittelbar am Eingang zum Schloßpark errichtet wurde, diente gleichzeitig als eine Art Kursaal und Konzertgebäude, in dem neben den musikalischen Berühmtheiten Franz Liszt und Robert Schumann alle drei Söhne von Johann Strauss auftraten. Johann Strauss Sohn war zwischen 1856 und 1865 an 10 aufeinanderfolgenden Jahren und 1869 noch einmal in Pawlowsk engagiert.
Was sonst noch geschah:
Geboren:
Gestorben: